Wie können Unternehmen mit KI Wert generieren?

08 Jan 2024

Thomas H. Davenport, Professor am Babson College, und Nitin Mittal, Senior Partner bei der Beratungsfirma Deloitte

VON:

» THOMAS H. DAVENPORT, Außerordentlicher Professor für Technologie- und Informationsmanagement am Babson College
» NITIN MITTAL, Senior Partner der Deloitte Consulting LLP

Weltweit haben Unternehmen das Aufkommen und die Einführung der künstlichen Intelligenz mitverfolgt. Mit diesem Wandel sind sie jedoch unterschiedlich umgegangen. In ihrem Buch All-In on AI: How smart companies win big with artificial intelligence, belegen die Experten Thomas H. Davenport und Nitin Mittal, Professor am Babson College und Senior Partner bei der Beratungsfirma Deloitte, dass KI den Unternehmen, die sie in ihre Produktionsprozesse integrieren, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Diese Technologie bringt einen zunehmenden Nutzen bei der Verwaltung immer komplexerer Lieferketten.

Wie KI-gesteuerte Unternehmen Wert generieren

Dies sind die Triebkräfte KI-gesteuerte Unternehmen als Alleinstellungsmerkmale, und um Wert zu generieren, nutzen:

  • Beschleunigung der Aufgabenausführung: Mit KI wird die Zeitspanne zwischen der Entscheidungsfindung und den anschließenden Maßnahmen verkürzt, so dass operative Prozesse beschleunigt und Geschäftsergebnisse schneller erreicht werden können.
  • Kostensenkung: Die Automatisierung von Prozessen, Aufgaben und Interaktionen senkt die Kosten, erhöht die Effizienz, verbessert die ökologische Nachhaltigkeit und sorgt für Vorhersehbarkeit.
  • Verständnis von Komplexität: Die Anwendung von KI erleichtert die Analyse komplexer Sachverhalte und verbessert die Entscheidungsfindung durch die Fähigkeit, Muster zu entschlüsseln, Zusammenhänge zu erkennen und Prognosen auf der Grundlage immer umfangreicherer Datenquellen zu erstellen.
  • Neue Interaktionsformen: Diese Technologie kann die Interaktion von Kunden und Mitarbeitern mit intelligenten Systemen verändern, indem sie weitere Interaktionsformen - Stimme, Sehen, Text und Berührung hinzufügt.
  • Innovationsmotor: Mit KI-Fragen wie „in welchen Bereichen sollte man sich anstrengen?“ oder „wie kann man sich von anderen differenzieren?“ lassen sich neue Produkte, Marktchancen und Geschäftsmodelle erschließen.
  • Stärkung des Vertrauens: KI kann eingesetzt werden, um Marken vor Risiken wie Betrug, Verschwendung, Missbrauch oder Cyberangriffen zu schützen, was Geschäftspartner beruhigen und das Vertrauen der Kunden stärken kann.

Es versteht sich von selbst, dass Unternehmen, die KI nutzen, oft mehrere Ressourcen einsetzen - manchmal für denselben Anwendungsfall -, um ihr Endergebnis zu verbessern.

Unternehmen, die mit KI Erfolg haben wollen, müssen möglichst viele verschiedene Triebkräfte des Wandels nutzen

Je mehr Wert generiert wird, desto besser natürlich. Unternehmen, die mit KI Erfolg haben wollen, müssen möglichst viele verschiedene Triebkräfte des Wandels nutzen und zahlreiche Maßnahmen anstreben. Manche Veränderungen, wie Kostensenkungen, sind relativ leicht messbar. Unternehmen sollten sich jedoch nicht darauf beschränken, KI nur dann anzuwenden, wenn die Auswirkungen leicht zu quantifizieren sind. Unternehmen können einen größeren Nutzen aus KI ziehen, die Geschäftsmodelle transformiert, Entscheidungen auf der Grundlage großer Datenmengen und verschiedener Komplexitätsstufen trifft und in der Lage ist, Vertrauen aufzubauen.

Es erfordert sowohl Experimente als auch Training, um in der KI Maßstäbe zu setzen.

Wo stehen Unternehmen auf ihrem Weg zur KI-Integration?

Nach der Auflistung der Triebkräfte des Wandels, die die KI in Unternehmen vorantreiben, haben Sie wahrscheinlich den Eindruck erhalten, dass Ihr Unternehmen bereits einige, aber nicht alle integriert hat. Oder vielleicht, dass es sich mit diesen Nutzungsmustern gerade vertraut macht, sie aber noch nicht vollständig entwickelt hat. Mit folgenden Beispielen können Sie besser beurteilen, wo Ihr Unternehmen steht:

  • AI Fueled: Alle oder die meisten der oben beschriebenen Komponenten sind implementiert und voll funktionsfähig. Das Unternehmen setzt auf KI-Fähigkeiten und wird zu einer lernenden Maschine.
  • Transformers: Das Unternehmen hat die KI noch nicht vollständig übernommen, aber es hat den Prozess bereits vorangetrieben und einige ihrer Funktionen implementiert. Die Einführung von KI schafft einen erheblichen Mehrwert für das Unternehmen.
  • Pathseekers: Das Unternehmen ist bereits auf dem Weg zur KI und macht Fortschritte, befindet sich jedoch noch in der Anfangsphase. Es hat erste Systeme eingerichtet und hat bereits einige messbare positive Ergebnisse erzielt.
  • Starters: Das Unternehmen testet KI und verfügt bereits über einen Plan, es ist jedoch ein noch höherer Einsatz erforderlich, um Fortschritte zu erzielen. Bisher wurde KI noch nicht - oder kaum - produktiv umgesetzt.
  • Underachievers: Das Unternehmen hat zwar erste Tests mit KI durchgeführt, sie aber nicht in das Tagesgeschäft integriert und keinen oder nur einen geringen wirtschaftlichen Nutzen erzielt.

Umwandlung in eine KI-Lernmaschine

Eine Möglichkeit, all diese Eigenschaften zusammenzufassen, besteht darin, KI-gesteuerte Unternehmen als lernende Maschinen zu betrachten. In diesen Unternehmen sind viele Aspekte des KI-bezogenen Lernens institutionalisiert und fest verankert. Sie sind KI-Lernmaschinen in mindestens zweierlei Hinsicht: Sie lernen kontinuierlich aus ihrer Forschung und aus dem Einsatz von KI und wenden schnelle Trial-and-Error-Verfahren an, um Lehren daraus zu ziehen, was funktioniert und was nicht. Sie haben, wie unsere Kollegen John Hagel und John Seely Brown es ausdrücken, „skalierbares Lernen“ erreicht. Die Kombination aus Experimentieren und Trainieren ist der Schlüssel, um im Bereich der KI weltweit führend zu werden.

Das chinesische Unternehmen Ping An beispielsweise begann im Versicherungssektor und ist inzwischen in verschiedene Geschäftsbereiche im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen eingestiegen. Das Unternehmen verfügt über eine große Forschungsgruppe, die in IT und verwandten Fachgebieten promoviert hat. Der Gründer Peter Ma Mingzhe, ein Kunstsammler, empfahl dem leitenden Wissenschaftler Jing Xiao eine KI einzusetzen, die in der Lage ist, Kunst und Musik zu schaffen und dem riesigen Netz von Kunden und Partnern des Unternehmens zugutekommen könnte. Xiao beauftragte ein kleines Team mit dem Versuch, Gemälde, Musikkompositionen und Gedichte zu erstellen, indem es ein maschinelles Lernsystem auf der Grundlage vorhandener, hochwertiger Werke trainierte.

All in on AI: How smart companies win big with artificial intelligence (Thomas H. Davenport und Nitin Mittal)

Das Experiment funktionierte: Die Forscher waren in der Lage, anspruchsvolle Kunst, Musik und Gedichte zu schaffen. Es wurde auf der Artificial Intelligence World Conference 2019 der Weltöffentlichkeit vorgestellt und von der Presse gut aufgenommen. Das neu erstellte Musikkompositionsprogramm wurde sogar mit einem internationalen Preis ausgezeichnet. Xiao erklärte in einem Interview, dass Ping An an Geschäftsmodellen arbeitet, die künstliche Intelligenz mit verschiedenen Ökosystemen des Unternehmens verbinden, wie z. B. die Verschreibung von KI-erzeugter Musik für therapeutische oder andere gesundheitliche Zwecke. Auf der Grundlage dieses Experiments lernte die Forschungsgruppe, wie man KI-Systeme für neue Projekte entwickelt, die mit den subjektiven Gefühlen bzw. Emotionen der Teilnehmer zu tun haben, wie z. B. der Handel auf dem Wertpapiermarkt.

In allen anderen Fällen, in denen KI-gesteuerte Unternehmen zu Lernmaschinen werden, gibt es einen direkten Zusammenhang zum Machine Learning (zumindest im Bereich des überwachten Lernens, der bei weitem am häufigsten vorkommt). Diese Technologie erstellt Prognosen über unbekannte Ergebnisse auf der Grundlage von Modellen, die anhand von Daten aus der Vergangenheit trainiert wurden, für die die Ergebnisse bekannt sind. Es mag etwas verwirrend klingen, aber Unternehmen, die Lernmaschinen sind, lernen ständig vom Machine Learning. Mit den aktuell verfügbaren KI-Systemen lässt sich Wissen in großem Umfang und mit hoher Geschwindigkeit auch wirtschaftlich rentabel produzieren.

Unternehmen, die KI einsetzen, überwachen ihre Modelle (oft unter Verwendung einer Technologie, die als maschinelles Lernverfahren bezeichnet wird), da sie feststellen wollen, wie präzise ihre Prognosen sind. Sind diese nicht mehr präzise, werden neue Daten verwendet, um das System neu zu trainieren und ihre Prognosen zu verbessern. Auf diese Weise fördert das kontinuierliche Training das ständige Lernen und perfektioniert damit die Prognosefähigkeit und deren Anpassung an neue Daten. Mit anderen Worten: Ändert sich die Welt, ändern sich auch die Prognosemodelle.

Ein Unternehmen, das eine echte Lernmaschine ist, würde dieses Kriterium auf eine Vielzahl von Modellen anwenden, oder zumindest auf die wichtigsten. Dies impliziert, dass das Unternehmen KI als einen wichtigen Geschäftswert ansieht, der überwacht und verbessert werden sollte. Zudem wird anerkannt, dass Präzision nicht immer konstant ist und Technologien operative Prozesse erleichtern. Ein KI-gesteuertes Unternehmen beabsichtigt, genau diese Fähigkeiten zu verbessern.

Natürlich können Lernmaschinen der Unternehmen auch kontinuierlich von anderen KI-Modellen lernen. Die DBS Bank hat beispielsweise Chatbots - zunächst in ihrer digitalen Bank in Indien - eingeführt, um einen hochwertigen Kundenservice ohne Wartezeiten rund um die Uhr anzubieten. Bei einer Überprüfung eines Serviceausfalls im Jahr 2016 forderte die Geschäftsleitung das Team auf, das Online-Verhalten der Nutzer genauer zu überwachen und technische Probleme zu antizipieren.

Unternehmen, die KI einsetzen, überwachen ihre Modelle, da sie feststellen wollen, wie präzise ihre Prognosen sind

Die Herausforderung inspirierte das Team dazu, ein neues Programm zu entwickeln, mit dem die digitalen Bankgeschäfte aller Kunden in Echtzeit überwacht werden können. Nachdem das Unternehmen proaktiv Anzeichen auf Probleme bei der Nutzung der mobilen App analysiert hatte, entwickelte es die Fähigkeit, bei Bedarf einzugreifen und den Nutzern Optionen für die Fortsetzung des Betriebs zu bieten. Das Projekt war ein Erfolg, und die mit dem Chatbot gewonnenen Erkenntnisse wurden sowohl in Indien als auch in Singapur angewendet.

Der Begriff „Lernmaschine für unternehmensbezogene Zwecke“ bezieht sich auf Unternehmen, die beständig, zuverlässig und unermüdlich ihre Ziele verfolgen. Für die Transformation ihres Geschäfts setzen sie so entschieden auf KI, wie es sonst nur eine Hochleistungsmaschine tun würde. Sie investieren in KI-Infrastrukturen wie Feature Stores (Speicher für genau definierte Variablen zur Verwendung in maschinellen Lernmodellen) und Algorithmenbibliotheken, die innerhalb des Unternehmens mehrfach verwendet werden können. Diese Ressourcen sorgen dafür, dass sich zahlreiche Mitarbeiter kontinuierlich im Bereich der KI weiterbilden. Sie betrachten künstliche Intelligenz nicht als Modeerscheinung, sondern als sehr leistungsfähiges Instrument, mit dem das Unternehmen viel effizienter und effektiver auf dem Markt agieren kann.

Natürlich entstehen Lernmaschinen nicht nur durch den Einsatz von Technologien. Es ist die Kombination verschiedener Attribute: die DNA des Unternehmens, eine Unternehmenskultur, die KI und datengesteuerte Entscheidungen unterstützt, kontinuierliches Experimentieren und Innovationen fördert sowie das Engagement von Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern zur Erreichung dieser Ziele. Weder Daten, noch Algorithmen oder Hochleistungsrechner sind ausschlaggebend für diese Transformation. Der Mensch ist der entscheidende Schlüsselfaktor.

 


 

Thomas H. Davenport ist Außerordentlicher Professor für Technologie- und Informationsmanagement am Babson College, Gastprofessor an der Saïd Business School in Oxford, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der MIT Initiative on the Digital Economy und Senior Advisor bei Deloitte Analytics. Zu seinen Bestsellern gehören Competing on analytics und Big data at work.

Nitin Mittal ist Senior Partner der Deloitte Consulting LLP. Gegenwärtig ist er in den USA für die Beratung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und für die Bereiche Strategie, Analytik sowie Fusionen und Akquisitionen zuständig.

 


 

Nachdruck mit Genehmigung von Harvard Business Review Press. Auszug aus All-In on AI: How smart companies win big with artificial intelligence, Thomas H. Davenport und Nitin Mittal. Copyright 2023 Deloitte Development LLC. Alle Rechte vorbehalten.