Interview mit Selene Silvestri, Forscherin am MIT CTL
„Wir entwickeln eine Lösung, die Bestandsverwaltung und Auftragserfüllung integriert“
Überblick über das Forschungsprojekt
Neben anderen Aspekten im Zusammenhang mit Logistik und Technologie zielt die Forschungskooperation zwischen dem Massachusetts Institute of Technology und Mecalux darauf ab, die verteilte Auftragsabwicklung zwischen mehreren Lagern und Filialen zu verbessern. Selene Silvestri, Wissenschaftlerin am Center for Transportation & Logistics des MIT, beteiligt sich an dieser Initiative des Intelligent Logistics Systems Lab. Ziel ist es, präskriptive Intelligenz zu nutzen und genetische Algorithmen zu entwickeln, die bei der Verwaltung des auf verschiedenen Standorten verteilten Bestands unterstützen.
Mecalux interviewt Selene Silvestri, wissenschaftliche Forscherin am MIT CTL, um mehr über das Projekt im Zusammenhang mit der verteilten Auftragsabwicklung zu erfahren, an dem sie im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem MIT und Mecalux arbeitet.
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Wie wird das Gemeinschaftsprojekt von MIT und Mecalux dazu beitragen, den Lagerbestand im Vertriebsnetz zu organisieren?
Die Zuweisung und Verwaltung von Lagerbeständen und Filialen ist ein äußerst komplexer Prozess. Heutzutage gehen die meisten Unternehmen dabei von vereinfachten Annahmen aus, die auf Regeln oder menschlicher Erfahrung basieren. Das Problem dabei ist, dass diese Methoden zu Fehlbeständen, ineffizienten Kosten, Abfall und unnötigen Emissionen führen. Das Bestandsverwaltungsprojekt, an dem wir in Zusammenarbeit mit Mecalux arbeiten, entwickelt eine lernbasierte Lösung, mit der Unternehmen nachvollziehen können, wo sie ihre Artikel zuweisen sollen. Das heißt, dass der optimale Zeitpunkt, Ort und die optimale Menge für die Platzierung der Ware im gesamten Vertriebsnetz identifiziert werden.
Aus über tausend Strategien wählt der Algorithmus diejenige mit dem effizientesten Kosten-Leistungs-Verhältnis aus
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Inwiefern nutzt diese Forschung präskriptive Intelligenz?
Mit präskriptiver Intelligenz können wir die besten datenbasierten Strategien für die Verwaltung und Zuweisung von Lagerbeständen in Lieferkettennetzwerken identifizieren. Durch die Analyse historischer Daten, die Theorie der Bestandsverwaltung und fortschrittliche Optimierungsalgorithmen sollen unsere Methoden Unternehmen dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wir verwenden Simulationen und evolutionäre Algorithmen, die es uns ermöglichen, über tausend verschiedene Szenarien sowie mehrere Strategien zur Maximierung der Lieferkette zu analysieren. Aus allen in Betracht gezogenen Optionen wählt der Algorithmus diejenige mit dem effizientesten Kosten-Leistungs-Verhältnis aus. Die Idee ist, dass Unternehmen diesen Algorithmus in ihren Abläufen anwenden können, um so Lieferengpässe zu vermeiden, Überbestände zu reduzieren und die Gesamtleistung ihrer Lieferkette zu verbessern.
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Sie verwenden Algorithmen, die sich an biologischen Evolutionsprozessen orientieren. Können Sie uns ein Beispiel nennen?
In den kommenden Jahren werden Unternehmen zunehmend Lösungen einsetzen, die KI und lernbasierte Algorithmen nutzen Genauer gesagt entwickeln wir einen genetischen Algorithmus, dessen Funktionsweise darin besteht, den natürlichen Evolutionsprozess einer „Population” nachzuahmen. Diese Art von Algorithmen ist sehr effektiv bei der Lösung von Optimierungsproblemen in großem Maßstab.
Im Zusammenhang mit der Bestandsverwaltung geht man von einer Reihe möglicher Zuweisungen entlang des gesamten Lieferkettennetzwerks aus. Auf dieser Grundlage wendet der Algorithmus auf die ursprüngliche „Population“ Mechanismen wie Kreuzungen, Rekombinationen oder Reproduktionen an, um neue Lösungen zu generieren. Diese „Nachkommen“ behalten bestimmte Merkmale der Zuweisungen ihrer „Eltern“ bei, weisen aber auch neue Variationen auf. Im Laufe der Zeit entwickelt sich der Algorithmus zu realisierbaren Lösungen, die Kosten und Service optimal ausgleichen. Dabei entstehen zunehmend nahezu optimale Zuweisungsstrategien.
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Wie wird dieses Projekt dazu beitragen, die Zuweisung des Lagerbestands der Unternehmen zu optimieren?
Wir sind fest davon überzeugt, dass Unternehmen in den kommenden Jahren zunehmend Lösungen einsetzen werden, die KI und lernbasierte Algorithmen nutzen. Wir hoffen, diese Erkenntnisse mit denen eines anderen Forschungsprojekts zu verbinden, an dem wir ebenfalls mit Mecalux zusammenarbeiten und das darauf abzielt, die Auftragsabwicklung zu optimieren. Wir entwickeln eine technologische Lösung, die Bestandsverwaltung und Auftragsabwicklung integriert. Unser Ziel ist es, eine vollständige Transparenz der gesamten Lieferkette und ihrer Abläufe zu erreichen, vom Lieferanten bis zum Kunden. So vermeiden wir Tools, die den Lagerbestand optimieren, ohne die Nachfrage zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Lösungen, die sich ausschließlich auf die Auftragsabwicklung konzentrieren und die Verfügbarkeit des Lagerbestands außer Acht lassen.