Erfolg des Omnichannel-Lagers basiert auf der Gestaltung

13 Jan 2022
LOGISTIKFORSCHUNG

Kunden nutzen beim Einkaufen mehrere Kanäle und erwarten, ein möglichst zufriedenstellendes Kauferlebnis, unabhängig davon, ob sie online, im Geschäft oder in einer Kombination aus beidem kaufen. Diese Fusion der Kanäle, die im Allgemeinen als Omnichannel-Erlebnis bezeichnet wird, transformiert die Welt der Logistik und der Lagerung.

Die Gestaltung eines Lagers zur Durchführung des Omnichannel-Handels

Wie können Unternehmen das Omnichannel-Erlebnis ihrer Kunden verbessern und eine schnelle Lieferung der Produkte gewährleisten? Eine Möglichkeit zur Verbesserung des Omnichannel-Konzepts besteht in der Konfiguration der Lager, erklärt Joakim Kembro, außerordentlicher Professor und Leiter des Masterstudiengangs für Logistics and Supply Chain Management an der Universität Lund in Schweden. Seine neueste Forschung, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift International Journal of Physical Distribution & Logistics Management veröffentlicht wurde, zeigt, wie die Gestaltung eines Lagers Unternehmen im Einzelhandel dabei hilft, ihre Omnichannel-Strategie zu verbessern.

„Der Boom des elektronischen Handels stellt die herkömmliche Konfiguration von Lagern in Frage. Im Vergleich zu anderen Vertriebszentren müssen Omnichannel-Lager so konzipiert sein, dass sie verschiedene Arten von Warenflüssen effizient kombinieren, sodass die Ware sowohl an Geschäfte als auch an Online-Kunden geliefert wird“, sagt Kembro. „Das Lager eines Omnichannel-Einzelhändlers spielt heute mehr denn je eine strategische Rolle, wenn es darum geht, die Kundenwünsche zu erfüllen und einen schnellen Vertrieb der Waren zu gewährleisten“.

Die Konzeption eines Lagers mit einer Omnichannel-Strategie ist eine komplexe Aufgabe: Logistikleiter müssen viele Faktoren berücksichtigen. So werden beispielsweise Geschäfte durch den geplanten Versand großer Warenvolumen wieder aufgestockt, während Online-Kunden, Bestellungen mit wenigen Produkten in Auftrag geben und ihre Anfrage sehr unbeständig ist. Aus der Kombination dieser beiden logistischen Anforderungen ergeben sich unterschiedliche Szenarien: Sollen Einzelhändler mit Omnichannel-Strategie den Versand von Bestellungen an Geschäfte mit den Online-Bestellungen in einem einzigen Lager kombinieren oder sollen sie die beiden Vorgänge trennen? Wann sollen robotergesteuerte Systeme in E-Commerce-Lagern installiert werden und welches automatische System ist am besten geeignet? Es gibt keine eindeutige Antwort auf diese Fragen. Die ideale Lösung hängt von der Art des E-Commerce, dem Kontext und den Bedürfnissen des Kunden ab.

Im Omnichannel-Handel spielen Lager eine strategische Rolle, wenn es darum geht, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und einen schnellen Vertrieb der Ware zu gewährleisten

„Als wir damit begannen, den Omnichannel-Handel zu analysieren, stellten wir fest, dass Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Lager unterschiedliche Wege gingen“, betont Kembro. „Zum Beispiel haben manche Unternehmen Online-Bestellungen und Aufträge für Ladengeschäfte integriert, während andere sich dafür entschieden haben, Aufträge nach ihrem Bestimmungsort zu trennen. Im Gegenzug investierten einige Unternehmen viel in die Automatisierung, während sich andere für spezifischere Technologien entschieden, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Unabhängig von der Lagerkonfiguration stellten wir jedoch fest, dass alle Unternehmen diese Entscheidungen ohne wissenschaftliche Grundlage getroffen hatten“, betont der Experte.

Ausgehend von diesen Fällen wollten Kembro und sein Co-Autor Andreas Norrman aufzeigen, wie die Gestaltung eines Lagers den Erfolg der Omnichannel-Strategie bestimmen kann. Die Forscher untersuchten die Omnichannel-Lager von sechs führenden Unternehmen aus verschiedenen Sektoren wie Mode, Verbraucherelektronik und Bauwesen. Die analysierten Unternehmen gehören zu den wichtigsten Einzelhändlern in Schweden und setzen Maßstäbe in der Omnichannel-Logistik.

Nach dem Besuch der Lager, um deren Layout und die Umsetzung der verschiedenen Vorgänge kennenzulernen sowie Gespräche mit den Logistikleitern zu führen, wurde von den Autoren eine Datenanalyse durchgeführt, um herauszufinden, wie die Lagerkonfiguration das Kauferlebnis in einem Omnichannel-Geschäft verbessern könnte.

In den untersuchten Fällen wurden verschiedene logistische Situationen überprüft: Lager mit Produkten mit geringem und mit hohem Wert, mit sperriger oder kleiner Ware, mit wenigen oder vielen Artikelarten und mit nationalen und internationalen Sendungen.

Omnichannel-Lager: Wie sieht eine ideale Konfiguration aus?

Im Rahmen der Untersuchung haben die Forscher aufgezeigt, welche Faktoren einen Einfluss auf das Layout des Lagers haben und warum sie bei der Definition der Omnichannel-Strategie berücksichtigt werden müssen. Gemäß den Ergebnissen der Untersuchung gibt es vier Schlüsselfaktoren, die Logistikexperten bei der Gestaltung eines Omnichannel-Lagers berücksichtigen müssen: die Anzahl der Artikelarten (SKU), die Zeit für die Auftragszusammenstellung, die Gesamtanzahl der Aufträge und die Größe der Ware.

„Der Trend im Omnichannel-Handel geht in Richtung Verkürzung der Vorbereitungszeit für Online-Bestellungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl und Art der Artikel. Diese grundlegenden Faktoren sind bei der Gestaltung von Omnichannel-Lagern sogar noch wichtiger“, betont Kembro.

Abhängig von den Eigenschaften der vier Schlüsselfaktoren kann die Gestaltung des Omnichannel-Lagers mehr oder weniger komplex sein. „Wenn nur wenige Unterschiede in Bezug auf die Größe der Waren und die Eigenschaften der Aufträge bestehen, ist die Anpassung der Gestaltung des Lagers einfacher. Sobald jedoch Variationen bei den Bestellarten hinzukommen – zum Beispiel eine Kombination aus Online-Bestellungen und Bestellungen von Geschäften – ist es notwendig, weitere Ressourcen zu nutzen, um die geeignete Konfiguration zu finden“, erklärt Kembro.

Die Faktoren, die die Gestaltung eines Omnichannel-Lagers am stärksten beeinflussen, sind das Gesamtsortiment der Produkte, die Zeiten für die Auftragszusammenstellung, die Gesamtanzahl der Bestellungen und die Größe der Ware

Bei der Gestaltung eines Omnichannel-Lagers sind gemäß der Untersuchung noch weitere Faktoren zu berücksichtigen: die Standardisierung der Ware, die Differenzierung zwischen Bestellungen von Geschäften und Online-Bestellungen, die Auftragsarten, die zusammengestellt werden („Single-Unit" oder „Multi-Unit"), Volumen der Bestellungen von Geschäften und der Anteil von Einzel- gegenüber Click and Collect-Bestellungen (Abholung im Geschäft). „Die Kombination von großen Warenflüssen für die Wiederauffüllung von Geschäften und der Boom des Online-Handels haben zur Folge, dass diese Faktoren auch für Omnichannel-Einzelhändler essentiell sind“, stellen die Autoren fest.

Der Umgang mit Zugeständnissen bei der Gestaltung des Lagers

„Unsere Untersuchung hat bestätigt, dass bestimmte Faktoren für einige Einzelhändler ausschlaggebend sind, wohingegen für andere fast alle Elemente wesentlich sind und Entscheidungen sich in vollständig unterschiedliche Richtungen bewegen können“, erklärt Kembro. „Für ein Unternehmen können die Konfigurationen, die die Warenflüsse beschleunigen, entscheidend sein, während andere lieber Konfigurationen nutzen, die Größenvorteile bringen, die die Ausführung von komplexen Aufgaben erleichtern oder die Abläufe flexibler gestalten, um Ungewissheiten bei der Nachfrage zu bewältigen.“

Anhand ihrer Analyse zeigen die Autoren, dass die Komplexität des Lagers zunimmt, je größer der Unterschied zwischen den Bestellungen von Geschäften und den Online-Bestellungen ist. Ähnlich ist es bei Produkten: Je mehr SKU, desto komplexer werden die Konfigurationen des Lagers. „Ein Lager mit Produkten und Paketen mit Standardgrößen, wie in der Modebranche, kann sich für besser optimierte Konfigurationen entscheiden. Im Gegensatz dazu müssen Einzelhändler mit einer ausgeprägten Kombination von SKU möglicherweise mehrere verschiedene automatisierte Methoden und Bereiche für die Zusammenstellung von Aufträgen implementieren“, sagt Kembro.

Im Hinblick auf unvorhersehbare Nachfragen kann der E-Commerce von der Automatisierung der Auftragszusammenstellung sowohl für Bestellungen von Online-Shops als auch von Geschäften profitieren

Automatische Systeme für mehr Flexibilität

Unternehmen mit einer sich verändernden Marktdynamik und einer variablen Produktnachfrage empfehlen die Autoren dieser Untersuchung, Lager flexibler zu gestalten. Hierzu sollte das Lager so konfiguriert werden, dass die Lagerkapazität erhöht oder verringert werden kann, wenn dies notwendig wird. „Die Konfiguration eines Lagers wird von wöchentlichen Veränderungen bei der Nachfrage und saisonabhängigen Spitzen wie Black Friday beeinflusst, da E-Commerce-Unternehmen dann eine um 500 % höhere Nachfrage verzeichnen können“, sagt der Experte.

In Szenarien mit unsicherer Nachfrage kann die Automatisierung den Unterschied ausmachen. E-Commerce-Unternehmen, die mit hohen Nachfragespitzen konfrontiert sind, können von automatischen Systemen für die Auftragszusammenstellung profitieren, sowohl für Aufträge von Geschäften als auch von Online-Bestellungen. „Die Frage lautet nicht mehr, ob man automatisieren soll oder nicht, sondern wie man automatisieren soll“, bestätigt Kembro. „Neue Technologien, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, verändern die Spielregeln und bieten flexible Lösungen, die in der Vergangenheit unvorstellbar waren. Vor einigen Jahren galten nur einige wenige Unternehmen als Vorreiter in der Automatisierung. Mittlerweile nutzen große und kleine Unternehmen im Einzelhandel die Automatisierung und machen diese zu einer Priorität. Ihr Ziel ist es, Lösungen zu finden, die die Zeiten für die Ausführung und die Produktion verkürzen und dabei die Flexibilität erhöhen und Fehler minimieren.“

Geschwindigkeit im Lager

Unternehmen, die Warenflüsse beschleunigen möchten, vereinfachen normalerweise die Vorgänge in ihren Lagern, indem sie häufig wiederholende Schritte und mögliche Engpässe beseitigen. „Eine Lösung zur Erhöhung der Geschwindigkeit im Lager ist es, alle Produkte an einem Platz zu lagern, das gilt sowohl für Bestellungen von Geschäften als auch für Online-Bestellungen. Auf diese Weise sind die SKU der Bestellungen immer am selben Ort verfügbar und der Transport der Artikel zu einem anderen, separaten Lagerbereich ist nicht erforderlich“, verdeutlicht Kembro. „Eine weitere Lösung zur Steigerung der Produktivität im Lager ist die Installation von sehr schnellen automatischen Systemen kombiniert mit „Cross-Docking“.“

Automatisierung ist eine sehr effiziente Lösung für den Omnichannel-Handel

Laut Kembro kann die Beseitigung von sich immer wiederholenden Schritten zu einer Optimierung des Lagerraums beitragen. „Durch das Zusammenführen aller Artikel an einen Ort, der Automatisierung einiger Vorgänge und der Arbeit mit „Cross-Docking“ lässt sich neuer Lagerraum in einer Anlage gewinnen.“

Optimale Lagergestaltung: eine Frage der Balance

Die Errichtung des richtigen Lagers für eine erfolgreiche Omnichannel-Strategie ist eine Frage der Balance. Je mehr Herausforderungen in einem Omnichannel-Lager bewältigt werden müssen, umso komplexer werden die Entscheidungen bei seiner Gestaltung.

Aus diesem Grund empfehlen die Autoren Folgendes: „Vergleichen ist manchmal sinnvoll, doch es könnte gefährlich sein, Lösungen anderer Lager zu implementieren, weil man denkt, wenn das Geschäft ähnlich ist, wird auch dessen Lösung funktionieren. Es ist sehr wichtig, den Zusammenhang zu verstehen und Zeit in die Gestaltung und die Planung des Lagers zu investieren.“

Untersuchung im Original: Kembro, J.H. and Norman, A. (2021), "Which future path to pick? A contingency approach to omnichannel warehouse configuration." International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, Vol. 51 No. 1, pp. 48-75.

Link zum Originalartikel (open access): https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/IJPDLM-08-2019-0264/full/html